„Unsere schöne Landschaft ist eine vornehme Gastgeberin“

„Unsere schöne Landschaft ist eine vornehme Gastgeberin“

Architekturforum Miesbacher Kreis diskutiert in Auftaktveranstaltung mit allen Bürgermeistern die Baukultur im Landkreis Miesbach.

Schon bei der Begrüßung der Gäste zeigte sich der Vorsitzende Werner Pawlovsky beeindruckt: Neben Landrat Olaf von Löwis waren ausnahmslos alle Landkreisbürgermeister der Einladung des Architekturforums Miesbacher Kreis am vergangenen Freitagvormittag ins Holzkirchner Fools Theater gefolgt, um keiner geringeren Frage nachzuspüren, als der, was „gutes Bauen“ im Landkreis Miesbach eigentlich bedeute – und wie zwischen Otterfing und Bayrischzell, zwischen Irschenberg und Kreuth architektonische Identität bewahrt werden und gleichzeitig demographischen wie ökologischen Herausforderungen der Zeit Rechnung getragen werden könne.

Dialog mit der Kommunalpolitik

Hierzu hatte das Architekturforum, Miesbacher Kreis, ein ehrenamtlicher Zusammenschluss freier Architektinnen und Architekten aus der Region im Vorfeld der Veranstaltung eine Handvoll Fragen rund um die baukulturellen Werte, Chancen und Risiken formuliert und an die Rathäuser im Landkreis verschickt. Fragen zu einem Thema, das wenig überraschend den Nerv der Kommunalpolitik trifft wie beinahe kein zweites. 

„Identität vor Beliebigkeit, Wertschätzung des baugeschichtlichen Erbes, aber Mut zu neuen Ideen“, so führte Landrat von Löwis bereits in seinem einleitenden Grußwort an das Paradigma heran, das im Anschluss alle anwesenden Amtsträger während einer beinahe zweistündigen Tour de force in all seiner Komplexität hinterleuchteten:

Komplexe Herausforderungen

Vom Umgang mit städtischem Siedlungsdruck im Nordlandkreis über Hotelprojekte an den eher touristischen Hotspots im Süden, von Fluch und Segen strenger Gestaltungssatzungen, von Zeitgeist, Energieeffizienz, Flächenverbrauch, Innenverdichtung und bezahlbarem Wohnraum für Einheimische – jeder der Bürgermeister machte, zwar auf jeweils ganz gemeindetypische, aber dennoch unmissverständlich klar, wie dick das Lastenheft derzeit ist, wie schwierig und komplex der Spagat zwischen Antragsdichte, Bauherrenansprüchen und dem Umgang mit Architektur als gestalteter Umwelt. Einig war man sich, dass, allen Zeichen der Zeit zum Trotz, unsere von der Landwirtschaft geprägte Kulturlandschaft nach wie vor von der Tradition geprägt sei. Und sie für nachfolgende Generationen zu erhalten oberstes Primat.         

Welches Bauen hält unser Landkreis also aus? Wie lange hält unsere Infrastruktur dem Zuzug und “Overtourism” stand, ist mit Nachhaltigkeit die Fassade aus heimischen Hölzern gemeint oder doch vielleicht eher, den vorschnellen Abbruch eines Gebäudes nochmals zu überdenken? So führte Pawlovsky eindrucksvoll an „Selbst ein modernes Passivhaus müsse über hundert Jahre stehen, um die ‚graue Energie‘ zu amortisieren, die beim Abbruch des Altbestandes vernichtet wurde“.

Transparenz als Konsens

Forumsmitglied und jetziger Kreisbaumeister Christian Boiger bat explizit, trotz des hohen kommunalen Handlungsdrucks bei jedem Vorhaben hinzuschauen, frühzeitig und ganz genau –  und nahm damit einen ersten Konsens des Vormittags vorweg: Jenseits der einen oder anderen Gestaltungssatzung als Rechtsgrundlage dürfe man den Landkreis, ja sogar jede einzelne Gemeinde nicht als homogenes „Trumm“ begreifen. Bayrischzell sei nicht Holzkirchen, und auch innerhalb der einzelnen Kommune sei ein gewachsener Dorfkern womöglich anders zu behandeln als verschiedene Ortsandlagen.   

Und so erneuerten nicht nur die Architekten des Forums und damit auch der Kreisbaumeister ihr Angebot an die Bürgermeister und Bauamtsleitungen, sich im Sinne einer Baukultur von Bestand rechtzeitig Rat und Unterstützung zu holen – auch zwischen den Bürgermeistern wurde das Versprechen erneuert, Erfahrungen zu teilen, um das Rad nicht neu erfinden zu müssen und für die Bürgerinnen und Bürger nachvollziehbar zu handeln. 

Auftakt für weiteren Austausch

So kam Werner Pawlovsky nach einer lebhaften Diskussion an diesem Vormittag nicht nur dem Ziel näher, in Sachen Bauen den guten „multilateralen Draht“ zwischen den Rathäusern und dem Architekturforum zu beleben. Er bekräftigte auch den Konsens, bei aller Notwendigkeit zur Veränderung nicht zu vergessen, „dass unsere schöne Landschaft eine besonders vornehme Gastgeberin ist, in der man sich baulich gut zu benehmen hat.“

Zur Freude der Mitglieder des Architekturforums Miesbacher Kreis waren die Bürgermeister sich am Ende dieser Zusammenkunft einig, bei dieser Diskussion mehr in die Tiefe gehen zu wollen und das Format in schöner Regelmäßigkeit zu wiederholen.   

Vollzählig erschienen – und viele Themen im Gepäck: Alle Landkreisbürgermeister und zahlreiche Bauamtsleitungen nahmen die Einladung des Architekturforums Miesbacher Kreis an.