Der Rosenheimer Buchautor, Landschaftsökologe und Träger des bayerischen Naturschutzpreises Alfred Ringler spricht in Fischbachau eindrucksvoll über „Bauen und Landschaft“ im Landkreis Miesbach.
Er hatte ihn seinerzeit von seinem Vater geerbt, den Blick für die Zusammenhänge der Natur – und ebenso wie er hat Alfred Ringler begonnen, den Zustand der Landschaft akribisch zu dokumentieren und fotografieren. Am vorvergangenen Mittwoch ist Ringler nun der Einladung des Architekturforum Miesbacher Kreis nach Fischbachau gefolgt und hatte für das Publikum im dem unter Einhaltung der Abstandsregeln vollbesetzten Klostersaal viel im Gepäck. Mit fotografischen Ansichten aus allen Dekaden, bis zurück in die frühen 1940er Jahre belegte er eindrucksvoll den Wandel der Kulturlandschaft im Oberland im Lauf der Jahrzehnte. Seine zentrale Beobachtung: Wo die Landschaft noch vor fünfzig oder sechzig Jahren von moderater Beweidung geprägt war, sind nun Baumkronen zu sehen. Mitnichten eine gute Nachricht, sondern Manifestation des zweifelsohne hohen Siedlungsdrucks auf unsere Gemeinden. „Bäume sehen ja erst einmal gar nicht schlecht aus, aber wenn man genau hinsieht, erkennt man unter den Baumkronen , dass auf dem ehemaligen biodiversen Kulturland nun Siedlungsparzellen stehen. Häuser, Terrassen, Straße, Bäume, Garagen, Gewerbeflächen – versiegelte Landschaft“, führt Ringler aus und belegt seine These mit Kartographien einiger Landkreis-Gemeinden, in denen penibel verzeichnet ist, in welchen Jahrzehnten der vergangenen 80 Jahre besonders gewachsen, gebaut und versiegelt wurde.
Mit einem Blick vom Wallberg auf Rottach-Egern als plakatives Beispiel zeichnet er das prototypische Szenario in vielen Alpentälern nach: Ungehemmtes Siedlungswachstum und Aussterben der kleinbäuerlichen Landwirtschaft führen am Ende unweigerlich dazu, dass es zwischen Siedlung und Waldrand nichts mehr gibt, was noch den Begriff Kulturlandschaft verdiene, negative Auswirkungen wie immer unzureichenderer Hochwasserschutz inklusive.
Dieser „Endzustand“, so Ringler, sei in manchen Tälern des Allgäu, in Tirol oder der Schweiz bereits eingetreten. „Im Landkreis Miesbach ist es zwar auch fünf vor zwölf, aber alle Hoffnung noch nicht verloren.“
Was also dieser „Inselbildung der Restbiotope“ wirksam entgegensetzen? Beseelt und streckenweise beinahe betroffen von Alfred Ringlers Beobachtungen und Thesen nutzten die Gäste die zweite Hälfte des Abends für eine angeregte Diskussion, in deren Verlauf die komplexe Gemengelage aus Siedlungsdruck, dem Strukturwandel der Landwirtschaft und den immensen Herausforderungen an die Kommunalpolitik offenbar wurde.
Werner Pawlovksy, Vorsitzender des Architekturforums, war sich mit Ringler einig, dass es einen „Königsweg“ nicht gibt, aber immerhin die kommunale Planungshoheit Anlass zu Hoffnung geben könnte. „Wir müssen die Landwirtschaft in den regionalen Entwicklungsdiskurs miteinbeziehen, neben anderen Prämissen den Erhalt der Kulturlandschaft in den Vordergrund rücken, die Verantwortung der Gemeinden dafür schärfen – und auch klar kommunizieren, dass die Bebauungsgrenzen erreicht sind und wir nicht mit immer neuen Einfamilienhäusern in Ortsrandlage jedes Dorf bis an den Waldrand
erweitern“, so Pawlovksy.
Ein Paradigmenwechsel in der Kommunalpolitik, Baugepflogenheiten und Landwirtschaft, der unabdingbar sei, so Ringler. „Eine verlorene Kulturlandschaft lässt sich über künstliche Mechanismen nicht zurückbringen“.