Dr. Ernst Böhm: Ein Unternehmer mit Überzeugungen

Dr. Ernst Böhm: Ein Unternehmer mit Überzeugungen

B&O-Gründungsgesellschafter Dr. Ernst Böhm folgt Einladung des AFMB nach Fischbachau: Es war seit dem Startschuss zu den großen Bürgermeisterrunden im Herbst 2021 nun die dritte Veranstaltung des Architekturforums Miesbacher Kreis, zu der die Rathauschefs wieder fast vollzählig erschienen waren – und wieder ein besonders ausgesuchtes Referat zum Thema Bauen erwarten durften.

Nach der herzlichen Begrüßung durch Fischbachaus Bürgermeister und Forumsmitglied Stefan Deingruber und einem Grußwort des Landrates Olaf von Löwis ergriff im gut besetzten Saal des Fischbachauer Klosters mit Dr. Ernst Böhm der Hauptreferent das Wort – und machte dem Publikum schon während der ersten Minuten seines Vortrags „Gegen den Strom“ klar, dass sich der Weg nach Fischbachau auch aus den entlegensten Winkeln des Landkreises gelohnt haben sollte.

Bezahlbarer Wohnraum, Umgang mit Ressourcen und aktiver Klimaschutz: Landrat von Löwis schwor die Bürgermeister in seinem Grußwort auf die gegeneben Prioritäten der aktuellen Kommunalpolitik ein – und Böhm lieferte im Anschluss im wahrsten Sinne des Wortes „schlüsselfertige“ Antworten.

Referent Dr. Ernst Böhm (2.v.l.) begeisterte beim dritten Bürgermeisterforum  – hier mit Vorstand Werner Pawlovksy, Landrat von Löwis und Fischbachaus Bürgermeister Stefan Deingruber im Bild

Bauprojekte aus einer Hand
Vom geschäftsführenden Gründungsgesellschafter der deutschlandweit tätigen B&O Gruppe durfte sich das Publikum also diesmal über Denkanstöße und Perspektiven aus der real existierenden Bauwirtschaft freuen: Die B&O Gruppe ist mit über 2.000 eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern als Generalunternehmerin im Holzgeschosswohnungsbau tätig – und Dienstleisterin für die Wartung, Instandhaltung und Sanierung von deutschlandweit etwa 700.000 Wohneinheiten.

Böhm ist eigentlich promovierter Jurist – aber seine eigensinnige Kehrtwende, sich nach wenigen Jahren anwaltlicher Tätigkeit doch auf das Bauen zu verlegen scheint erfrischend symptomatisch für einen Unternehmer, der glaubhaft vermitteln kann, dass sein Erfolg auf Überzeugung gegründet ist.

Ideen für die Fragen der Zeit
Und so beginnt Böhm seine Erzählung durch die Welt des Bauens – und macht halt an vielen Aspekten unserer gestalteten Umwelt, Aspekten, von denen jeder einzelne praktisch einen eigenen, spannenden Vortrag wert gewesen wäre: Unser umständlicher Umgang mit Parkplätzen etwa. Warum werden große kommunale Flächen versiegelt, damit vor Schwimmbädern oder Friedhöfen für kurze Zeit ein Auto abgestellt werden kann? Warum steht die Dorfwirtschaft leer, aber im Randbereich zahlreiche einzelne und vor allem sporadisch frequentierte Vereinsheime? Warum nutzen wir unsere Infrastruktur so wenig, so ineffizient, so kurz, so schlecht? Warum recyclen wir, was wir wiederverwenden könnten?   

Böhm wirft aber nicht nur die Fragen auf – als Unternehmer liefert er die Antworten gleich mit und führt dem Publikum anhand mehrerer realisierter Großprojekte vor, wie pragmatisch sich mit einem ganzheitlichen Blick moderner Quartier- und Wohnungsbau realisieren lässt:

Ganzheitlich gedacht – pragmatisch realisiert  
Auf dem ehemaligen Kasernengelände bei Bad Aibling konnte die B&O Gruppe ein klimapositives Modellquartier projektieren – vom nachhaltigen Material bis hin zur städtebaulichen Komposition: „Erst haben wir Gewerbe, Schulen und Kindergärten angesiedelt – und im Anschluss Wohnraum in sinnvollen Schnitten und Ausstattungen“, so Böhm. „Wir müssen weg von der Pendelei. Eine lebendige Gemeinschaft entsteht dann, wenn am Wohnort auch gearbeitet wird. Abgesehen davon nützt auch ein Passivhaus der Klimabilanz am Ende nichts, wenn immer noch mit dem Auto 50 Kilometer zum Arbeitsplatz gefahren werden.“

Besonders ins Visier nimmt Böhm Parkplätze, besonders die, die nur punktuell, saisonal oder anlassbezogen genutzt werden und damit nichts anderes sind als großzügig verschwendeter Platz. Dass dieser Platz auch anders genutzt werden kann, führt Böhm anhand eines zweiten Projektes vor: „Die vielen Parkplätze am Münchner Dantebad haben förmlich nach einer Überbauung geschrien. Das Bad liegt mitten in der Stadt, ist mit ganzen vier ÖPNV-Haltestellen bestens erschlossen, kann gut mit dem Fahrrad erreicht werden und wird ohnehin nur stundenweise genutzt.“ Gesagt, getan: In nur 180 Tagen wurden in Holzhybridbauweise 100 Wohnungen der Kategorie „bezahlbar“ im Herzen der Stadt geschaffen.   

Ganzheitlicher Blick – unmissverständliche Thesen:  B&O Gründungsgesellschafter Dr. Ernst Böhm  

Mit gesundem Menschenverstand in die Zukunft
Dass kommunales oder städtisches Wohnen klimagerecht gedacht, gebaut und am Ende auch von Menschen aus der Mitte der Gesellschaft bezahlt werden kann, ist für Böhm der elementare Antrieb: Er macht Appetit darauf, unsere Gewohnheiten zu hinterfragen – etwa, ob es immer mehr Quadratmeter pro Person sein müssten, legt aber auch vor den anwesenden Architektinnen und Architekten des Forums den Finger in Wunden: In eindrucksvollen Schaubildern verweist er auf die üblicherweise höchst kleinteiligen Bauprozesse und zahllosen Beteiligten, die seiner Meinung nach schon von vorneherein kosteneffizientes und gleichermaßen qualitätvolles, nachhaltiges Bauen verunmöglichen.

Ein weiteres Postulat von Böhm an diesem Tag: Die strikte Trennung von Rohbau und Haustechnik: „Man schaue sich Bergbauerndörfer oder die Münchner Borstei an. Sowas steht 100, 200 Jahre und länger. Technik hingegen wird hingegen schon nach 30 oder 40 Jahren unbrauchbar. Ist sie nicht separat zu ersetzen, muss das ganze Gebäude weg. Das Klinikum Großhadern muss genau deshalb jetzt schon abgerissen werden. Was dort nun an grauer Energie vernichtet wird, Hand aufs Herz, so viele Plastiktüten können wir in diesem Leben nicht mehr einsparen.“

Böhms Vortrag ist eine Tour de Force durch Pragmatisches, Erwiesenes und sofort Umsetzbares. Am Ende des unterhaltsamen Vortrags verfestigt sich im Auditorium das Gefühl, dass es alles so einfach sein könnte.  „Er ist ein sehr erfolgreicher Unternehmer. Aber nicht wegen seines Erfolges, sondern wegen seinen Überzeugungen und seiner Überzeugungskraft habe ich ihn eingeladen“, resümiert Forumsvorstand Werner Pawlovsky.

Auch Landrat Olaf von Löwis zeigte sich begeistert: „Ich bin fasziniert. Die Art und Weise wie Böhm völlig ideologiefrei, aber mit viel Sachverstand zum Umdenken anregt und naheliegende Lösungen ausarbeitet hat mich sehr inspiriert.“

Neben dem Landrat waren fast alle der 17 Landkreisbürgermeister erschienen – und nahmen eine Menge Inspirationen mit zurück in Ihre Gemeinden.  

Weiterführende Links:

Thesenpapier zur Anhörung von Dr. Ernst Böhm im Bauausschuss des Deutschen Bundestages

B&O Kurzdokumentation über das Bauprojekt Dantebad in München: